· 

Abzug aus Mali und Sahel-Strategie

Roderich Kiesewetter

 

Die Sahel-Region ist eine Schlüsselregion für die Sicherheit Europas, deshalb ist die Entscheidung für einen rascheren geordneten Abzug der Bundeswehr aus Mali auch keine einfache. Ziel des MINUSMA Einsatzes ist es zur Stabilisierung in Mali beizutragen, für den Erhalt der Staatlichkeit und eine wirtschaftliche Perspektive zu sorgen. Wir erleben allerdings eine Zunahme radikaler Akteure, terroristischer Gruppen und auch zunehmenden Einfluss Russlands mit der Gruppe Wagner. Deutschland war insbesondere auf Bitten Frankreichs, das mittlerweile abgezogen ist, im bislang gefährlichsten Einsatz. Für uns geht es dabei insbesondere darum, Migrationsbewegungen und Terrorismus in Richtung Deutschland und EU einzudämmen. Spill-over-Effekte auf die Region werden bei einem Ende von MINUSAM erwartet.


Es gibt dennoch mehr Argumente für einen Abzug der Bundeswehr noch in diesem Jahr. Ich tue mir gerade als ehemaliger Soldat leicht zu sagen: die Voraussetzungen für einen effektiven Einsatz der Bundeswehr in Mali sind nicht mehr gegeben. Unsere 1200 Soldaten können das Feldlager nicht mehr verlassen, obwohl sie sehr gerne einen Beitrag zur Erfüllung des Mandatsziels leisten würden. Sie können es nicht, weil sie von der Politik nicht die notwendige Ausstattung haben. Stattdessen steigt das Risiko in einen Hinterhalt zu kommen und dann ohne die Luftnahunterstützung, die bislang Frankreich stellte, schutzlos zu sein.


Deshalb ist es unsere Verantwortung, unsere Soldaten dieses Jahr geordnet abzuziehen. Gleichzeitig fordern wir endlich eine Strategie für die Sahel-Region. Denn wir sehen in Mali drei Entwicklungen der Region wie in einem Brennglas.


Erstens die Zunahme von Systemkonkurrenz und -Konflikt in Afrika als zentraler Region für Europa. Vor wenigen Tagen hat die Militärjunta in Mali den Chef der Menschenrechtsabteilung der UN-Mission MINUSAM, Guillaume Ngefa-Atondoko Andali zur unerwünschten Person erklärt – er muss das Land innerhalb von 48 Stunden verlassen. Er hatte unabhängige Untersuchung möglicher Übergriffe und Kriegsverbrechen in Mali durch Regierungstruppen und an ihrer Seite kämpfender Wagner-Söldner gefordert. Insgesamt sehen wir einen steigenden Einfluss staatlicher Akteure wie Russland, China, Iran in der Sahel-Region.
Zweitens, eine Allianz autokratischer Staaten versucht, Einfluss zu gewinnen und Verbündete zu finden wie in der Militärregierung in Mali. Deshalb  müssen auch die regelbasierten Staaten eine Allianz bilden und dürfen insbesondere die Sahelzone nicht vernachlässigen. Für uns - Deutschland und Europa - muss dabei wichtig sein, Interessen zu definieren und zu priorisieren und wir müssen endlich  aus den Lessons Learned Schlüsse ziehen und unsere Instrumente überdenken. Die Zeit drängt angesichts des Systemkonflikts mit China.


Drittens, wir sehen, dass soft Power ohne militärische Unterfütterung nicht erfolgreich ist.  Seit des Abzugs Frankreichs kann die Bundeswehr ihr Ziel nicht erfüllen, es gibt keine sinnvollen Einsatzoptionen. Die Bundeswehr ist zur soft Power degradiert. Deshalb brauchen wir neue, smarte Ansätze. Dazu gehört z.B. ein  Neubeginn in Niger mit robusten Missionen und neue Wege der wirtschaftlichen Zusammenarbeit in der Sahelzone. Dies geht z.B. mit dem Global Gateway der EU, der eine echte win-win-Situation bedeuten kann - ein Gewinn für Europa durch wirtschaftliche und sicherheitspolitische Zusammenarbeit und gleichzeitig ein wirtschaftlicher Nutzen und infrastruktureller Mehrwert für die andere Seite.


Deshalb fordert die Union neben dem Abzug aus Mali zugleich eine Sahel-Strategie.