· 

Blick auf die militärische Situation

Markus Grübel

Der Krieg in der Ukraine dauert mittlerweile sechs Wochen. Der von Präsident Wladimir Putin erwartete schnelle Sieg Russlands ist ausgeblieben. Die russischen Truppen im Großraum Kiew sind mittlerweile auf dem Rückzug. Das liegt zum einen daran, dass sie von den ukrainischen Truppen verdrängt wurden. Zum anderen erfolgt der Rückzug aber auch organisiert, mit dem Ziel, die russischen Truppen im Hinblick auf Mensch und Material neu aufzustellen und im Anschluss im Osten sowie im Süden der Ukraine einzusetzen. Im Donbas waren die Truppen vom Präsident Putin bisher wenig erfolgreich. 2014 konnte Russland nur ein Drittel des Gebietes einnehmen. Die komplette Übernahme der Oblaste Donezk und Luhansk hat deshalb bei Putin hohe Priorität. Starke Einheiten sowie Spezialkräfte der ukrainischen Armee leisten im Donbas heftigen Widerstand und drängen den russischen Gegner bisher erfolgreich zurück.

Ein möglicher Plan Putins könnte sein, die ukrainischen Truppen durch eine Zangenbewegung einzukesseln und aufzureiben. Dafür müsste er Truppen von Charkiw nach Süden und gleichzeitig von Mariupol nach Norden verlegen. Die in Mariupol stationierte 810. Marinebrigade, die zur Marineinfanterie der Schwarzmeerflotte gehört, sollte dort weiterhin im Kampf gebunden bleiben, damit sie den ihr wohl ursprünglich zugedachten Auftrag, Odessa von der See anzugreifen, nicht erfüllen kann. Eine Rolle bei der Verteidigung Mariupols spielt das Asowsche-Regiment. Dabei handelt es sich um eine ukrainische Miliz von Freiwilligen, unter denen sich auch Rechtsextremisten befinden sollen. Putin ist das Regiment ein Dorn im Auge, sein Ziel der „Entnazifizierung“ bezieht sich unter anderem auf diese Miliz.

Belarus ist dadurch, dass Alexander Lukaschenko den russischen Truppen erlaubt, über weißrussisches Gebiet zu ziehen, ebenfalls Kriegspartei. Aufgrund der Stimmung in der Bevölkerung ist aber nicht damit zu rechnen, dass Belarus mit eigenen Truppen in den Krieg eingreifen wird. Viele Weißrussen sehen den Kampf der Ukrainer als Kampf für die Freiheit und somit auch als ihren Kampf an. Einige von ihnen haben sich freiwillig den ukrainischen Kämpfern angeschlossen, beispielsweise im Kastus-Kalinouski-Bataillon, ein belarussischer Verband, der in die ukrainischen Streitkräfte eingebunden ist. An der Zuverlässigkeit von weißrussischen Soldaten in einem eventuellen Krieg an der Seite Russlands müsste deshalb gezweifelt werden. Wir können davon ausgehen, dass Wladimir Putin am 9. Mai, dem Tag des Sieges, große Erfolge verkünden will und anstrebt, bis dahin die Oblaste Donezk und Luhansk komplett unter seinen Einfluss zu bringen sowie eine Landbrücke vom Donbass zur Krim herzustellen.